Haben Neobroker Nachteile?

Günstig Traden oder versteckte Nachteile?
Du hast sicher schon von Trade Republic, Scalable Capital oder Smartbroker gehört – den sogenannten Neobrokern, die mit kostenlosen Depots, niedrigen Ordergebühren und kinderleichter Bedienung werben. Klingt perfekt, oder?
Doch bevor du dein hart verdientes Geld dort investierst, solltest du wissen, wie Neobroker wirklich arbeiten und wo mögliche Fallstricke lauern.
Was Neobroker sind, wie sie funktionieren, warum sie so günstig sind, wer am Ende dafür bezahlt und was Payment for Order Flow (PFOF) bedeutet. Lass uns das System hinter den Neobrokern genauer unter die Lupe nehmen.
Was zeichnet Neobroker aus?
Neobroker sind moderne, meist app-basierte Broker, die sich durch niedrige oder keine Ordergebühren und eine sehr einfache Bedienung auszeichnen. Sie richten sich vor allem an Einsteiger oder Investoren, die einfach und günstig Wertpapiere kaufen möchten, ohne sich um komplizierte Orderarten oder Handelsplätze kümmern zu müssen.
Merkmale von Neobrokern:
- Günstige oder keine Ordergebühren
- Einfache Bedienung per App
- Handel oft über wenige oder nur einen Handelsplatz (z. B. Lang & Schwarz)
- Oft kostenloses Depot und geringe Mindesteinzahlungen
- Fokus auf ETFs, Aktien, Krypto, teilweise auch Derivate
- Einnahmequelle durch Payment for Order Flow (PFOF)
Bekannte Neobroker in Deutschland:
- Trade Republic
- Scalable Capital
- JustTrade
- Smartbroker
- Finanzen.net Zero
Neobroker sind ideal für Buy-and-Hold-Anleger, die einfach günstig investieren wollen.
Für aktive Trader oder Personen, die Wert auf höchste Orderqualität legen, sind klassische Broker mit direktem Börsenzugang (z. B. Interactive Brokers oder Consorsbank) oft die bessere Wahl.
Durch den Payment for Order Flow (PFOF) entstehen dir bei der Nutzung von Neobrokern Nachteile, die bei aller Einfachheit den meisten Nutzern nicht bewusst sind.
Mögliche Nachteile von Payment for Order Flow (PFOF)
Payment for Order Flow (PFOF) bedeutet, dass Broker wie Trade Republic deine Order nicht direkt an eine große Börse (z. B. Xetra oder Nasdaq) weiterleiten, sondern an spezielle Market Maker oder Handelsplätze (z. B. Lang & Schwarz oder Citadel Securities).
Diese Market Maker bezahlen den Broker dafür, dass sie die Orders bekommen und ausführen dürfen.
Was genau sind die Nachteile, die dir dadurch entstehen können?
1. Schlechtere Ausführungspreise (höhere Spreads)
Da deine Order an einen bestimmten Market Maker geleitet wird (und nicht an die liquidesten Börsen), kann es sein, dass du etwas schlechtere Preise bekommst. Der Market Maker verdient Geld durch den Spread (die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis) und da du keine Konkurrenz von anderen Handelsplätzen hast, kann er sich das „leisten“. In volatilen Märkten kann das besonders problematisch sein, da du dann unter Umständen nicht den besten Kurs bekommst.
2. Kein Zugang zu allen Märkten
Viele Neo-Broker wie Trade Republic bieten nur den Handel über einen bestimmten Handelsplatz an (z. B. Lang & Schwarz). Das bedeutet, dass du nicht direkt an großen Börsen wie Xetra, NYSE oder Nasdaq handeln kannst. Wenn du einen „richtigen“ Broker hast (z. B. Interactive Brokers, CapTrader oder die großen Banken-Broker), kannst du dir aussuchen, über welchen Handelsplatz du handeln willst – und hast mehr Kontrolle über die Orderausführung.
3. Langsamere Orderausführung
Bei PFOF kann es vorkommen, dass deine Order nicht so schnell ausgeführt wird wie bei einem Broker, der direkt an eine große Börse routet. Das kann problematisch sein, wenn du aktiv tradest und darauf angewiesen bist, dass deine Orders in Millisekunden abgewickelt werden.
4. Interessenskonflikte des Brokers
Broker, die PFOF nutzen, verdienen daran, deine Orders an bestimmte Market Maker weiterzuleiten. Ihr Hauptziel ist also nicht unbedingt, dir den bestmöglichen Preis zu verschaffen, sondern eher, den Market Maker zufriedenzustellen. Das kann zu einem Nachteil für den Kunden werden, wenn sich der Broker stärker am Profit orientiert als an der Orderqualität.
5. Mögliche Regulierungsrisiken
In den USA gibt es immer wieder Diskussionen, ob PFOF verboten werden soll, weil es für den Kunden nachteilig sein kann. Auch in der EU gibt es Überlegungen, diese Praxis stärker zu regulieren oder sogar zu verbieten. Falls PFOF irgendwann untersagt wird, könnten die betroffenen Broker gezwungen sein, andere Gebührenmodelle einzuführen – möglicherweise mit höheren Kosten für den Kunden.
Probleme beim Game Stop Hype Anfang 2021
Während des Game Stop-Hypes Anfang 2021 gerieten Neobroker wie Robinhood (in den USA) und Trade Republic (in Deutschland) aufgrund von Handelsbeschränkungen und Liquiditätsproblemen massiv in die Kritik. Was damals passierte kann dir in der Zukunft auch passieren.
Handelsbeschränkungen
Als sich Privatanleger auf Reddit (WallStreetBets) zusammenschlossen und massiv Game Stop Aktien (GME) kauften, stieg der Kurs extrem. Plötzlich blockierten einige Neobroker wie Robinhood und Trade Republic den Kauf von Game Stop Aktien und anderen stark gehandelten Titeln wie AMC. Verkaufen war aber weiterhin möglich. Das sorgte für Empörung, weil viele glaubten, dass die Broker absichtlich die großen Hedgefonds (die auf fallende Kurse gesetzt hatten) schützen wollten.
Aufgrund des Payment for Order Flow kam der Verdacht auf, dass die Market Maker oder größere Institutionen Druck auf die Broker ausgeübt haben, um den Handel zu stoppen. Robinhood z.B. arbeitet eng mit Citadel Securities, einem großen Market Maker, zusammen – genau dieser war in Game Stop-Short-Positionen involviert. Durch den steigenden Kurs von Game Stop verlor dieser Tag für Tag immer mehr Geld.
Liquiditätsprobleme und Sicherheiten
Ein weiterer Punkt war, dass Broker wie Robinhood selbst plötzlich mehr Geld als Sicherheit bei den Clearingstellen hinterlegen mussten, weil das Handelsvolumen explodierte. Robinhood hatte kurzfristig nicht genug Liquidität, um die Trades zu sichern und musste daher Kaufbeschränkungen einführen.
Fazit zu Neobrokern
Ob absichtliche Manipulation oder rein technische Probleme – die Game Stop-Saga hat gezeigt, dass Neobroker nicht immer die volle Kontrolle über ihre Plattformen haben. Gerade wenn es an den Märkten turbulent wird, kann es sein, dass Trades ausgebremst werden oder Einschränkungen auftreten.
Wenn du langfristig investierst (z. B. ETFs oder Aktien kaufst und nicht oft tradest), sind solche Broker wie Trade Republic eine günstige und bequeme Lösung. Gerade für Buy-and-Hold-Investoren fallen die kleinen Orderabweichungen nicht so stark ins Gewicht.
Wenn du aber aktiv tradest oder größere Summen investierst, solltest du überlegen, ob ein Broker mit direktem Marktzugang (z. B. Interactive Brokers oder eine deutsche Direktbank mit Xetra-Zugang) besser für dich ist. Letztendlich hängt es also davon ab, wie du handelst und wie wichtig dir die Orderqualität ist.
Kategorie: Finanzen
Tags: Geld, Aktien, Investment